Rezensionen

Bereits nach dem Lesen der ersten Seiten war der Rezensent von Stabels Buch derart fasziniert, dass er dieses magnum opus buchstäblich verschlang. Selten hat ihn ein Roman solchermaßen in seinen Bann gezogen. Der Verfasser versteht es vom ersten Augenblick an, eine derartige Spannung aufzubauen, dass der Leser selbst, wenn er Fachhistoriker ist, gar nicht mehr auf die Idee kommt, da und dort einen sachlichen Fehler zu suchen. Tatsächlich hat Stabel mit unglaublicher Akribie das Geschehen rund um die zweite Wiener Türkenbelagerung 1683 und die Protagonisten jener Zeit nachgezeichnet. Die handelnden Personen sind ja großteils authentisch, lediglich ihre Handlungsweisen und ihr Lebensschicksal ist Fiktion.

Der Autor hat sehr geschickt zwei Handlungsstränge und mehrer Nebenschauplätze miteinander verwoben: Ein Zwillingsbrüderpaar, das im Kindesalter durch tragische Umstände getrennt wurde und den Lebensweg einerseits als kaiserlicher, andererseits als osmanischer Offizier bestritt, bildet den Kern des Romans. Diese beiden Gestalten sind fiktiv, ebenso wie die Eroberung Wiens durch das Heer Kara Mustafas. Hierin liegt der Kunstgriff des Autors: Er verkehrt die historischen Tatsachen ins Gegenteil und greift damit die Frage auf: „Was wäre gewesen, wenn…“ Einfühlsam beschreibt der Autor den kaiserlichen und den osmanischen Hof, die beiden Heerlager, die Situation im belagerten und letztendlich eroberten Wien und – der Verfasser ist schließlich Arzt – die ärztlichen Künste jener Zeit. Der Leser taucht ein in eine fremde Welt, die ihm aber durchaus plausibel erklärt wird. Die vielen spannenden Dialoge sind in der heutigen Wortwahl wiedergegeben, sodass sich der Leser durchaus mit der einen oder anderen Person identifizieren mag. Kurzum: ein reines Lesevergnügen, das nach einer baldigen Fortsetzung heischt.

Univ. Doz. Bertrand Michael Buchmann
Institut für Geschichte. Universität Wien
Autor von Österreich und das Osmanische Reich
Verlag WUV, 1999


Eine spannende Geschichte um den Kampf um Wien zur Zeit der zweiten Türkenbelagerung. Man fühlt sich als Leser mittendrin im Geschehen bei der Verteidigung der Stadt und der Eroberung durch die Türken, dass man nur zu schnell vergisst, dass es sich um eine zum Teil fiktive Geschichte handelt, die Gott sei Dank nie so stattgefunden hat. Mit viel Hintergrundwissen und Liebe zum Detail bietet der Autor dem historisch interessierten Leser eine Zeitreise in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts zur Zeit der Türkenkriege.
Mit Spannung verfolgt man den Werdegang der beiden Protagonisten – Zwillingsbrüder, die in der Kiindheit getrennt wurden – einer auf der Seite der Türken, der andere bei den österreichischen Verteidigern, bis sie endlich zueinanderfinden. Und jetzt wollen wir natürlich wissen, wie es weitergeht und die Fortsetzung nicht zu lange auf sich warten läßt!

Dr. Inge Lebl, Wien


Im Gegensatz zu anderen Werken der „Alternate Time Stream Novel“ behandelt der Roman im ersten Teil den realen Geschichtsverlauf. Erst bei der Explosion des Wiener Pulverturms zweigt die Handlung in die alternative Richtung ab. Tatsächlich brach auch ein Feuer im Pulverturm aus, das aber noch rechtzeitig gelöscht werden konnte.
Schon im erstenTeil beweist der Autor seine umfassenden Geschichtskenntnisse und die Liebe zum Detail. Nicht nur werden die Romanfiguren, die sich um den kaiserlichen Offizier Breitenbrunner gruppieren sondern auch die historischen Protagonisten treffend beschrieben.
Insbesondere die Rolle des „allerchristlichsten“ Königs von Frankreich, nämlich Ludwig XIV, bei der Unterstützung des türkischen Vormarsches, wird anschaulich dargestellt. Die Eroberung Wiens bietet dem Autor die Gelegenheit für viele gedankliche Spekulationen, welche für den historisch interessierten Leser äußerst reizvoll sind. Dabei werden die Türken keineswegs verteufelt sondern in völlig vorbehaltloser objektiver Weise beschrieben.
Das Buch kann ich daher als heissen Geschenktipp für alle empfehlen, die sich für die Stadtgeschichte Wiens im besonderen interessieren aber auch jenen, die in die wichtigsten historischen Meilensteine und Epochen voll und ganz eintauchen möchten.

Joseppe


Vorausschickend gesagt: Meine einzige Kritik an dem Buch ist, dass es nach 800 Seiten aufhört und der Leser über den weiteren Geschichtsverlauf selber spekulieren muss. Aber OK, es ist eine Alternativweltgeschichte und man darf auf eine Fortsetzung hoffen.
Alles andere am Goldenen Apfel ist Klasse. Der Autor schreibt so spannend wie Richard Cornwell, bietet aber Lesern, die gerne über Zeit und Hintergrund informiert sein wollen, einiges mehr, was dem Buch den fünften Stern zurückgibt, den ich ansonsten wegen obiger Kritik abgezogen hätte. Wer wie ich ohne spezifisches Wissen in die Handlung einsteigt, wird mit Fortdauer immer besser in die Epoche eingeführt und erfährt zum Teil Erstaunliches. Wer beispielsweise hat gewußt, was für ein gewissenloser Kerl Ludwig XIV. war? Weil ich es so nicht glauben wollte, habe ich nachgelesen und es bestätigt gefunden: Der viel gerühmte Sonnenkönig war ebenso infam wie genial. Er hat die Türken gegen den Kaiser gehetzt (das ist Faktum) und trägt Mitschuld am Fall Wiens 1683. Letzteres ist alternate history und zeigt wie geschickt hier die alternative Geschichte auf der faktischen aufbaut. Die Schilderung der Schlacht am Kahlenberg habe ich die längste Zeit für bare Münze genommen – bis die Türken siegten! Erst im Epilog gibt der Autor den point of divergence preis – jenes Ereignis also, das den Geschichtsverlauf in eine andere Richtung lenkt.
Es ist eine ausbleibende Drehung des Windes bei einem Stadtbrand , wodurch am ersten Belagerungstag ein Pulvermagazin in die Luft fliegt. Poetischer geht’s nicht und außerdem ist der Brand dokumentiert. Aber das ist was für Feinschmecker dieses Genres und Feinschmecker muss man nicht sein, um das Buch in ein paar Tagen gelesen zu haben.
Was mir noch besonders gefällt: Der Goldene Apfel vermeidet die Polarsierung in gute Christen und böse Türken und seine beiden Hauptfiguren stammen aus den verfeindeten Lagern. Es ist dann eine Nebenlinie der Handlung, dass sich beim Leser schon früh die Erwartung einstellt, dass sie irgendwann aufeinander treffen werden. Angenehmer Weise hat der Autor auf Heroisierung verzichtet und ihnen ein dosiertes Mannestum verordnet, das sie dem Leser sympathisch und glaubwürdig macht. Der kaiserliche Offizier, der in den Kampf zieht, weil er mit den Türken eine alte Rechnung offen hat, ist ein unangepaßter Typ, dem der Schelm im Nacken sitzt, der Janitschar ein Laienbruder des Bektaschiordens und Grübler, weil er sein Gedächtnis verloren hat. Auf solchen Charakteren läßt sich gut eine Handlung aufbauen.

Franz Rojnik, Wien